So hat Älplerfamilie Dornach ihren ersten Bergsommer erlebt
Wengen (Markt Weitnau) – Die Alpe Wenger Egg hat heuer neue Bewirtschafter gehabt. Nach Thomas Osterrieder und Ramona Steidle übernahm die Familie Dornach aus Kenels (Buchenberg) die nördlichste Alp des Allgäus. Der „Kreisbote“ hat sie am letzten Tag auf 1056 Meter Höhe und beim Viehscheid begleitet.
Luggi ist klatschnass, Elena wischt sich den Schweiß von der Stirn, ihre Buben Felix und Hannes sind fix und foxi, selbst Schäferhündin Kira mag nimmer hin- und herrennen:“ Wir haben es geschafft!“ jubelt die Familie Dornach,“ das erste Mal die Schumpen gesömmert und wieder heil ins Tal gebracht, es ist einfach großartig! “Die Buchenberger feiern ihre Premiere: ihr erster Bergsommer auf dem Wenger Egg ist erfolgreich zuende gegangen. 126 Jungrinder von 18 Bauern waren viereinhalb Monate lang in der Sommerfrische auf 1050 Metern Höhe:“ Die san jetzt fit und g’sond wia no nia!“ stellt Luggi, der Alphirte nüchtern fest.
Im April hat er den Hof in Buchenberg zugesperrt und ist mit Elena, den vier Kindern, Hündin Kira und zwei Eseln auf die Alp gezogen, hoch droben zwischen Weiden und Wäldern, weit weg vom Alltag:“ Wir haben schon immer davon geträumt,“ erzählt Elena beim Kuchenbacken in der riesigen Alpküche unter der niedrigen Zimmerdecke,“ unser Traum ist wahr geworden!“ Sie rührt den Teig an für ihren weithin beliebten Mandarinenkuchen mit Schmand. Den reißen ihr die vielen Wanderer und Radler an schönen Tagen regelrecht aus der Hand. Luggi bereitet derweil die Brotzeitteller vor, die Söhne haben schulfrei, am Tag vor dem Alpabtrieb, da wird jede Hand gebraucht, die Tochter sitzt noch in Buchenberg in der Grundschule. Die Jungrinder drängeln sich draußen in der Sonne um die Tränke, ihr aufgeregtes Schellenbimmeln zeigt an, dass sie schon ahnen, was ihnen bevorsteht. Schluss mit Sommer, Ende der tierischen Freiheit auf saftigen Wiesen mit würzigen Kräutern, es geht heim in den Stall, einen Winter lang.
Elena (38) und Luggi (49) bewirtschaften die Alp im Auftrag der Weide- und Waldgenossenschaft Wengen. Sie haben Erfahrung im Umgang mit Rindern, erst im Winter haben sie ihre Milchviehwirtschaft mit rund 25 Kühen aufgegeben, zu viel Bürokratie, zu wenig Ertrag, erklärt Ludwig Dornach trocken. Der Mann mit dem Bilderbuchvollbart arbeitet im Winter als Forstwirt in den Allgäuer Wäldern, seine Frau führt die Geschäfte der „Alpgenuss e.V.“, einer Vereinigung nachhaltig regional orientierter Alpen. Felix(14) und Hannes(12) besuchen das Hildegardis-Gymnasium in Kempten, da führt der Schulweg schon mal über das vier Kilometer lange Bergsträßchen oder direkt auf einem steilen Wurzelpfad durch den Wald:“ Ich bin in 27 Minuten oben,“ grinst Hannes, eine ideale Trainingseinheit für den Jungen, der als großes Talent in der Nordischen Kombination gilt. Außerdem hat er eine phänomenale Eigenschaft:“ Dr. Hannes kennt alle Schumpen und weiß, wer welchem Bauern gehört,“ freut sich Vater Luggi.
Und das zahlt sich aus, beim Vieh-Scheiden unten im Wengener Tal. 126 aufgeregte, wilde, ängstliche und ungestüme Tiere müssen gezähmt und in die wartenden Anhänger ihrer Besitzer verfrachtet werden. Es geht zu wie beim Rodeo, nur ohne Pferde und ohne Lasso. Ohrenbetäubend das Läuten der riesigen Schellen, das Brüllen der Rinder. Die Septembersonne knallt auf den Scheidplatz, auf dem kräftige Mannsbilder mit Bärten, Gamsbart-verzierten Filzhüten und langen Stangen versuchen, die Schumpen in den Griff zu kriegen. Das ist körperliche Schwerstarbeit, der Schweiß fließt in Strömen, manchmal müssen die Treiber in den Infight gehen, ringen mit den mehrere Hundert Kilo schweren Leibern. Der zwölfjährige Hannes ist auf einen Zaun geklettert, ruft den Männern Nummern und Namen zu, fuchtelt mal wild mit den Händen- „Noi,dia itt! Des isch die Falsch‘!“ -oder springt mitten hinein ins Getümmel aus Beinen, Lederhosen und umherfliegenden Grasbüscheln. Am Ende des Tages sind alle Sommerfrischler ge-schieden und abtransportiert und die Treiber erledigt, aber unendlich glücklich.
Alphirtin Elena freut sich dann auf den Abend in der Dorfhalle von Wengen: “Heut ist mein erster freier Tag seit dem 1.Mai, da will ich tanzen!“ Luggi lächelt etwas müde: „‚S war a Super-Sommer für uns, da oben, ohne Fernseher, ohne Verkehrslärm, wunderbar.“ Und Elena ergänzt: “Ein Sommertraum!“ Schade nur, dass bisher Unbekannte einen ihrer Esel gestohlen haben: “Den vermissen wir sehr, vielleicht bringen ihn die Diebe doch noch zurück,“ hofft die Alphirtin vom Wenger Egg.
Text und Bilder von Lutz Bäucker
BU Luggi und Elena am Fenster
Ein Sommer auf dem Berg : Luggi und Elena Dornach haben die Alp Wenger Egg fünf Monate bewirtschaftet und 126 Jungrinder fit für den Winter gemacht.